Die WAVE initiative untersucht und konzipiert ein seismisches und geo-akustisches Messnetzwerk in und um die Science City Hamburg Bahrenfeld. WAVE ist eine einmalige und innovative Infrastruktur für Geophysik, Physik und insbesondere für Großforschungsanlagen.
Grundlage von WAVE ist der breite Einsatz moderner seismischer Sensoren, insbesondere sogenannter ortsverteilter akustischer Sensoren (distributed acoustic sensing, DAS). Diese Technologie nutzt Glasfaserkabel als empfindliche seismische Sensoren. Sie ermöglicht es, Bodenbewegungsdaten in einer bisher nicht erreichten Dichte über große Entfernungen aufzuzeichnen und liefert damit neue Impulse für die Geophysik.
Der erste WAVE-Workshop fand als Hybrid-Veranstaltung am Freitag, den 13. Mai 2022, von 9:00 bis 14:30 Uhr statt.
In dem Workshop haben wir:
In einem ersten Schritt wurde das WAVE Konzept bereits unter realistischen Bedingungen getestet, um die Machbarkeit und die Möglichkeiten eines solchen Netzwerkes vor Ort zu demonstrieren. Dazu hat die Initiative im Mai 2021 ein “Demonstrations”-Experiment auf dem DESY/UHH Campus in Bahrenfeld durchgeführt, bei dem unter anderem ein 12,6 km langer, vorhandener und zusammenhängender Strang derzeit ungenutzter Telekommunikationsfasern als seismische Sensoren verwendet wurde. Dabei wurde das Wellenfeld hochauflösend im 1 m Abstand über die gesamte Faserlänge erfasst. Im Folgenden wird die Entstehung dieser Messkampagne, ihr Ablauf, sowie die verwendeten Sensoren zusammengefasst. Im Anschluss präsentieren wir zentrale Ergebnisse und Analysen der Messkampagne.
Karte der Faser-Teststrecke im Demonstrations-Experiment am Campus Bahrenfeld und im Tunnel des EuXFEL. Im Nordosten verläuft die Faser durch die Experimentierhalle ”Max von Laue“ und folgt dort kurzzeitig der Kreisbahn von PETRA. Weitere Sensoren (Seismometer und Geophone) sind in der Karte als blaue Dreiecke dargestellt. Für weitere Detailansichten können Sie in die interaktive Karte zoomen.
Überblick über die gesamte Faserstrecke:
Wasserfall-Diagramm der Aufzeichnungen aller DAS-Sensoren der 12.6 km langen Faser. Die Maximal-Amplitude der Zeitreihen in 20 s Intervallen ist farbkodiert über die räumlich verteilten Sensoren und den 16-stündigen Aufzeichnungszeitraum aufgetragen. Die Pfeile markieren Ereignisse, die in der darunter stehenden Auflistung entsprechend nummeriert beschrieben sind (Klicken Sie für Details).
Signale entlang des EuXFEL-Tunnel:
Spektren aller DAS-Sensoren entlang des Beschleunigertunnels XTL während des Beschleunigerbetriebs des EuXFEL. Bereits auf den ersten Blick sind viele Komponenten, die Störungen oder Geräusche verursachen, anhand ihres charakteristischen Spektrums identifizierbar. Exemplarisch sind einige prominente Komponenten markiert.
Autos passieren die DAS-Faser:
Oben wird die raumzeitliche DAS-Aufzeichnung von vorbeifahrenden Autos gezeigt. Der Faserabschnitt zwischen den Position 10430 und 10800 liegt unmittelbar neben einer Straße. Eine Karte des Straßenabschnittes ist unten links abgebildet. Unten rechts ist die Aufnahme der Fahrt eines einzelnen Autos zu sehen, wobei die horizontalen Linien in entsprechender Farbe gerahmten Momentaufnahmen der Faseranregung unten in der Mitte entsprechen. Da die Faser die Straße zweimal in entgegengesetzter Richtung passiert, ist das Wasserfall-Diagramm um die Horizontale bei einer Distanz von 10645m gespiegelt. Die Autos sind als diagonale Streifen deutlich zu erkennen, wobei deren Steigung unmittelbar Auskunft über ihre Geschwindigkeit gibt (ca. 18 ± 5km/h). Das erste Auto taucht ca. bei Sekunde 60 auf. Ein weiteres Auto fährt in selber Fahrtrichtung ab Sekunde 125. Während sich das erste Auto gegen Ende des Straßenabschnittes ca. 15 Sekunden später mit einem in entgegengesetzter Richtung reisenden, deutlich langsameren Verkehrsteilnehmer kreuzt, begegnen dem zweiten Auto offenbar drei weitere Fahrzeuge. Eines davon verlässt seinen Parkplatz auf halber Strecke, zwei weitere kommen ihm dicht aufeinander folgend entgegen.
Animation eines Autos, das entlang der Faser fährt:
Derselbe Faserabschnitt wie in der Abbildung links. Die hohen Amplituden in den DAS-Aufnahmen, die durch gelbe Farbe gekennzeichnet sind, folgen der Position des Autos.
Erdbeben in China entlang der DAS-Faser aufgezeichnet:
Vergleich der Seismometer-Daten mit den DAS-Daten. Dargestellt ist ein Erdbeben, das am 21.05.2021 in Qinghai (China) mit einer Magnitude von 7,4 stattfand.
Es ist zu erkennen, dass die Amplituden der Summe von 600 Datenspuren in dem Zeitfenster, in dem das Erdbebensignal eintrifft, größer sind als die der einzelnen Spur. Die Amplituden des nicht erwünschten Rauschens am Anfang der Datenspur werden dagegen reduziert. Im untersten Plot sind viele DAS-Datenspuren untereinander abgebildet. Die blaue Linie markiert die in der mittleren Abbildung gezeigte Einzelspur. Der rote Bereich umfasst die 600 Spuren, aus denen die Summenspur gebildet wurde.
In der unteren Graphik sind neben den vertikalen Linien, die den kohärenten seismischen Wellenfronten entsprechen, räumliche Variationen der gemessenen Schwingungsamplituden zu sehen. Diese können mit inhomogenen Untergrundstrukturen zusammenhängen und veranschaulichen, wie DAS-Messungen eine hohe zeitliche und räumliche Auflösung bieten.
Animation der Ausbreitung von Erdbebenwellen durch den EuXFEL-Tunnel:
Ausbreitung von seismischen Wellen, die durch ein starkes Erdbeben (Magnitude 7,4) mit Epizentrum in China verursacht wurden, durch den EuXFEL-Tunnel.
Rechts ist eine typische Darstellung für DAS-Daten (Wasserfalldiagramm) zu sehen, die die Zeitreihe der Dehnungsamplitude (y-Achse) für jeden Fasersensor (Kanal, x-Achse) farblich kodiert. Hier steht die dunkelblaue Farbe für die Kompression und die hellgelbe für die Dehnung eines Fasersegments.
Links ist die zeitliche Entwicklung der Dehnungsamplituden (Dehnungsrate), die an allen DAS-Sensoren aufgezeichnet wurden, auf die Faserspur entlang des EuXFEL-Tunnels projiziert.
Obwohl die Länge der Wellen die des Tunnels um ein Vielfaches übersteigt, ist die räumliche Ausformung der Wellenberge und -täler bei ihrer Ausbreitung von Ost nach West deutlich zu erkennen.
Vibrotruck des Unternehmens Baudynamik Heiland & Mistler GmbH, der den rechts zu sehenden Frequenzdurchlauf anregt hat.
Durch den Vibrotruck angeregte Bodenbewegungen:
Im Beschleunigertunnel des EuXFEL gemessene Vibrationsspektren zeigen sehr deutlich die Bodenschwingungen, die ein sogenannter Vibrotruck in ca. 100 m Entfernung oberirdisch auf den Untergrund ausübt.
Spektrogram der Aufzeichnungen eines einzelnen DAS-Kanals über einen Zeitraum von zwei Stunden. Zu erkennen ist ein unregelmäßiges Signal im Frequenzbereich um 5.2 Hz, welches den Experimentierbetrieb bei PETRA beeintrachtigt.
Frequenzanteile akustischer Signale, welche in der Nähe eines Transformatorhäuschens auf dem DESY-Gelände gemessen wurden. Die untere Grafik zeigt die elektronisch gemessene Variation der 50 Hz Netzfrequenz. Das obere Spektrogram zeigt den zeitlichen Verlauf eines einstündigen Ausschnitts des Signals an einer einzigen Position der Glasfaser in der Nähe des Trafos. Man erkennt eine Vibration bei der 5. Harmonischen der Netzfrequenz bei 300 Hz, deren Fluktuationen genau dem Verhalten der Netzfrequenz folgen.
Prof. Dr. Oliver Gerberding
Prof. Dr. Roman Schnabel
Prof. Dr. Celine Hadziioannou
Prof. Dr. Dirk Gajewski
Regina Maaß
Oliver Bölt
Ingra Malucelli Barbosa
Sektion 2.2: Geophysikalische Abbildung des Untergrunds
Dr. Christopher Wollin
Prof. Dr. Charlotte Krawczyk
Dr. Luigia Cristiano
Die Nutzung des Interrogators der Firma OptaSense wurde durch die MIN-Fakultät, vertreten durch den Dekan Prof. Dr. Heinrich Graener, gefördert. Für die zusätzliche Anregung mit dem Vibrotruck am Campus und den Austausch bedanken wir uns außerdem bei der Firma Baudynamik und Herrn Dr.-Ing. Michael Mistler. Wir möchten uns weiterhin bei der Gruppe IT des DESY, insbesondere bei Tobias Ladwig, für die Unterstützung bei der Herstellung der Faserverbindung und der Bereitstellung des Experimentierraums bedanken. Für die Unterstützung des Betriebsteams des European XFEL für das Georeferenzierung und den Zugang zum Beschleuniger möchten wir uns ebenfalls bedanken. Für Beratung und Service vor Ort möchten wir uns außerdem bei Dr. Martin Karrenbach von der Firma OptaSense bedanken. Außerdem bedanken wir uns beim Physnet-Rechenzentrum für die Bereitstellung der Server, Rechenkapazitäten und Datenspeicher sowie für die Beratung bei der Erstellung der Architektur zur Datenauswertung.